Montagmorgen beim Aufwachen keine Autos, die viel zu schnell durch den Brockwinkler Weg stadteinwärts brettern. Keine Schulkinder, die um 7:30 durch das Loch in der Hecke krabbeln, um gemeinsam zur Schule zu gehen. Im Garten ist niemand zu sehen. Wer von uns stellt sich noch den Wecker?
Jeden Tag ploppen im Kalender die geplanten Termine auf. Heute wäre das Treffen zum Thema „Organspende“ gewesen. Wir wollten über die ethischen Grenzgänge reden, wie jeder Einzelne dazu steht, und über hightech Medizin und das kommerzialisierte Gesundheitswesen – Fragen, die jetzt in der Corona-Krise auf andere Weise aktuell sind.
Jule schreibt aus der Quarantäne: „Bisher sind Lina und Lotta und Heiko wohlauf. Mir geht es gesundheitlich eigentlich relativ gut, der Schnupfen ist noch da, die Gliederschmerzen sind weg. Husten gab es ja nie so richtig.“ Manchmal sehen wir die Mädchen auf der Terrasse lesen oder sporteln, weiter nach draußen dürfen sie nicht.
Ärztin Nina schickt Regeln zur Benutzung unserer kleinen Bibliothek herum. Die Bücher und DVDs für Erwachsene und Kinder liegen auf Tischen im Gemeinschaftsraum, am Fenster, der Sonne ausgesetzt, die die Virenlast mindert. Wir können sie von außen sehen und auswählen. Wenn uns etwas verlockt, bitte einzeln den Raum betreten…
Um halb elf erscheinen einige Eltern und Kinder im Garten, spielen Federball. „Große Pause!“ Ruft ein Siebenjähriger, der offenbar Zuhause lernt.
Manche Nachrichten brauchen in diesen Zeiten länger. Erst jetzt erfahre ich, dass der Vater eines lieben Nachbarn gestorben ist. Ich kann ihn nicht mal umarmen.
Von Marie wieder ein Spruch: „Wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen.“ Wo hat sie den bloß her?
Ulla

Stimmen – Beiträge – Interviews

 

Polly

schreibt an uns alle: „In der Foodcoop ist Klopapier angeliefert worden. Bedient Euch. Bitte keine Hamsterkäufe“. –
„Klopapier ist da!“ trötet Thommy, ihr fünfjähriger Sohn, über den Laubengang und lacht.

 

Willy

Montagabend – der 1. Tag mit Lagerkoller.
Im Corona-Modus verschwimmt mir die Zeit. Was sind Fixpunkte, die noch gelten? Wie lange sind wir schon im Ausnahmezustand?
Wochentage? Morgen ist Dienstag – mir fehlen die Hamburgfahrten zu den Enkelnachmittagen. Aber die Familie ist auch in Quarantäne. Das Kuscheln und Scherzen kann kein Telefonat oder Skypen ersetzen. Wann war das letzte Mal? Hier können wir uns wenigstens sehen, winken und kleine Goodies austauschen mit denen, die in Quarantäne sind.
Jahreszeiten? War eben noch Frühlingsanfang – bei mehr Kältegraden als im Winter? Das kurdische Frühlingsfest am Freitag in unserem Garten mit Tanz ums Feuer musste wegen Corona verschoben werden.
Heute habe ich Wäsche gemacht, um den Montag zu markieren, so wie früher meine Mutter nach dem Sonntag. Morgen kommt der noch volle Vorratsschrank dran, der gut und gerne mal geputzt und kontrolliert werden sollte. Am Freitag will ich Fisch essen, so wie früher. Kann ich dafür noch einkaufen gehen als Teil der Alten, einer Risikogruppe? Sinnvoll oder Altendiskriminierung?
Liebgewordene Rituale, die helfen: Dienstagmorgens um 7.30, jetzt um 8 Uhr, treffen wir uns seit 5 Jahren regelmäßig zu den gewohnten 18 Qigong-Übungen. Wegen der Corona-ansteckungsgefahr stehen jetzt 5-8 LeNas draußen unter den Bäumen, dick eingemummelt mit Mütze und Handschuhen. Morgen wird es recht kalt sein für Mitte März, aber schön mit den Vögeln – der Natur so nah wie nie zuvor, dank Corona.
Freitags Gehmeditation und dann, weil‘s gut tut – außerplanmäßig nochmals Qigong, um die Abwehr gegen den Angstvirus zu stärken.
Abends das Singen. Ich zähle die Liederzettel, um zu prüfen, wie viele Tage wir schon dabei sind. Fast 8 Tage. Das Repertoire wächst.
Sonst fallen alle Außentermine weg. Kein Ende in Sicht. Für die Sommerferien in Norwegen die Stornofristen rausgeschrieben. Die Spaziergänge hier wiederholen sich. Ein Glück, dass die Sonne scheint, schon seit 4 Tagen.
Im Kalender habe ich immer nur noch gestrichen. Mitte April erwarten wir unser 4. Enkelkind. Die Zeit rückt näher. Dann soll bitte alles wieder gut sein. Heute habe ich eine Nähanleitung der Stadt Essen herunter geladen und morgen näh ich Atemschutzmasken, falls Hilfe bei unseren Nachbarn notwendig wird oder das Enkelchen früher kommt.