Ostern ist vorbei und nun beschäftigt uns wieder die Frage, wie es weitergehen wird. Der heutige Mittwoch wird als Tag der Entscheidung wahlweise herbeigesehnt oder -gefürchtet. „Was glaubst du, wann werden die Schulen wieder öffnen?“ „Wie ist deine Einschätzung, wie es weitergeht?“ „Wahrscheinlich machen bald die Geschäfte wieder auf“, sind Sätze, die ich so oder so ähnlich seit gestern häufig höre oder selbst sage.
Nun wissen wir ein wenig mehr, Kontaktverbot weiterhin bis zum 4. Mai. Schulen sollen dann langsam wieder öffnen – aber wie genau, das wird sich noch zeigen. Kleinere Geschäfte dürfen schon ab kommenden Montag wieder öffnen, aber vieles bleibt weiterhin offen. Was ist mit den Kitas? Was mit dem Sommerurlaub? Abwarten, alles neu macht (vielleicht) der Mai. „The answer is blowin‘ in the wind“, sangen wir passenderweise beim heutigen Abendsingen.
Auch sonst sind der Wind und das Fliegen heute sehr präsent bei uns. Eingeladen vom norddeutschen Wind, der uns nach dem warmen Osterwochenende ordentlich abgekühlt hat, tauchten gestern Nachmittag die ersten Flugzeuge und Drachen in unserem Garten auf. Heute ging es weiter; schon vor 8:00 Uhr lief Paulina mit ihrem bunten Drachen über die Wiese. Bald folgte Ella, dann Thommy, später Lina, Lotta und Simon. Was für eine Ausdauer, den ganzen Vormittag rannten sie lachend und rufend im Garten umher. Genauso oft musste aber auch eine Erwachsene helfen, Drachen aus Bäumen, von Balkonen und einmal sogar vom Dach zu befreien.
Die großen LeNas bleiben heute eher drinnen, vielleicht ist es zu kalt, vielleicht sind andere Dinge zu erledigen, vielleicht möchte man auch mal alleine sein. Abends gibt es eine kleine Premiere: Die AG Genossenschaftswohnung trifft sich per Videokonferenz. Abgesehen von gelegentlich ruckeliger Technik klappte es ganz gut und auch wenn es kein persönliches Treffen ersetzt, war es für mich ein kleines bisschen „fast wie normal“ in dieser Zeit, in der wir gerade so viel aufschieben oder ausfallen lassen müssen.
Auch bei Maries Motivationsspruch, heute ein Zitat von Toni Morrison, ging es ums Fliegen: „If you wanna fly, you gotta give up the shit that weighs you down“ – auch wenn wir physisch gerade nirgendwo hin fliegen können, unsere Phantasie kennt keine Grenzen, und das Spiel der Kinder erinnert uns immer wieder daran.

Heute stehen die größeren Kinder im Mittelpunkt, erzählen von ihrem Alltag. Und Wini erinnert sich, wie er als Dreizehnjähriger seinen ersten Ostermarsch erlebte – 1964.

Unser Tagebuch erscheint ab sofort jeden zweiten Tag, vielleicht nicht ganz regelmäßig…

Polly

 

Stimmen – Beiträge – Interviews

 

Aljoscha – Begegnung mit Lou

Lou (12) liebt alle Gerichte mit Kartoffeln.
Am liebsten mag sie Kartoffelpuffer mit Apfelmus. Das Rezept kommt von ihrer Großmutter.
Man nehme so ca 1-1,5 kg Kartoffeln (für 3 bis 4 Personen), schäle sie, wasche sie evtl. noch mal kurz ab. Dann werden sie gerieben, nicht zu fein, aber auch nicht zu grob (so wie beim Möhrensalat etwa). Wer eine Küchenmaschine hat oder Nachbarn, wo man sich die mal ausleiht, ist klar im Vorteil.
Nun wird noch ein Ei und ein gehäufter Esslöffel Mehl und ein bis zwei Prisen Salz dazu gegeben, kurz umgerührt und in einer heißen Pfanne mit ausreichend Bratöl handtellergroße Kuchen gebraten – schön kross braun von beiden Seiten.
Durch die Menge an Öl, die das ganze schluckt, sicher nicht das gesündeste Essen, aber ober lecker. Dazu passt Salat oder Apfelmus.
Sie liest gerade „Ostwind“, eine Geschichte von einem Mädchen namens Mika, die eine besondere Bindung zu einem wilden Pferd aufbaut, das auf dem Hof der Großmutter lebt.
Dieses Buch ist für Kinder ab 10 Jahren gut verständlich. Es gibt 6 Bände.
Für die Schule liest sie gerade „Krabat“.
Draußen fährt sie gern Einrad oder springt auf dem Trampolin. Drinnen spielt sie mit ihrem Bruder Mattes Ballspiele und mit ihrem Vater „Ubongo“.
Wenn sie Sehnsucht nach ihren Freundinnen hat, dann schreibt sie ihnen oder telefoniert auch mal mit ihnen.

Luna und Günter (Interview von Polly)

Heute wäre in Niedersachsen der erste Schultag nach den Osterferien, wenn, ja wenn Corona nicht wäre. In der Nachmittagssonne unterhalte ich, Polly, mich an der Sandkiste mit den Geschwistern Luna (12) und Günter (fast 10). Beide gehen sehr entspannt mit der Situation um.
Meine Ausgangsfrage ist: „Heute soll ja darüber entschieden werden, wie es unter anderem mit den Schulen weitergeht. Was wünscht ihr euch für die nächsten Wochen?“
Beide würden schon gerne wieder in die Schule gehen, vor allem um ihre Freunde zu treffen. Von denen hören sie nämlich gar nichts. Luna hat einmal mit einem Freund telefoniert, Günter hat seit der Schulschließung nichts von seinen Freunden gehört. Aber, so sagt er: „Ich finde es gut, dass ich gerade so viel mit den LeNa-Kindern spiele.“ Beide fänden es aber nachvollziehbar, wenn die Schulen erst einmal geschlossen blieben. So sagt Luna: „Von der Situation her finde ich es schon besser, wenn die Schulen noch zu bleiben. Denn es sterben ja noch Menschen.“ „Ja“, stimmt Günter zu.
Jetzt, wo die Schule wieder beginnt, erhalten beide Aufgaben aus der Schule. „Aber gar nicht so viele“, sagen beide. Luna findet es ganz in Ordnung, ihre Aufgaben alleine zu Hause zu bearbeiten, weil sie auch bisher schon eher wenig Hausaufgaben aufbekommen hat. Günter gefällt das nicht so gut: „Ich finde es besser, wenn ich in der Schule gesagt bekomme, was ich jetzt machen soll.“
Langweilig ist beiden aber nicht. Im Gegenteil: „Ich finde es eigentlich ganz gut, dass ich mal nicht so viele Termine habe“, sagt Luna, denn in „normalen Zeiten“ hat sie bis auf Sonntag täglich entweder Sport, eine Schul-AG oder Musikunterricht. Luna schläft zurzeit gerne bis 11:00 Uhr und ist abends bis 24:00 Uhr noch wach. Günter geht lieber früher schlafen und steht dann auch um 8:00 Uhr schon auf. Beide machen viel Sport, fahren Fahrrad, Inliner, spielen Ballspiele im Garten. Luna hat sich ein neues GPS-Gerät für Geocaching gekauft. Drinnen beschäftigen sie sich mit Ebay-Verkäufen aussortierter Spielsachen, Filme gucken, CDs und Musik hören. Auf mich wirken die beiden ganz zufrieden, auch wenn ihnen die Freunde fehlen. Toll, wie sie gerade das Beste aus dieser ungewohnten Situation machen.

 

Wini

Erinnerung an Ostern 1964
Die unglaubliche Kälte nach dem diesjährigen sehr schönen und warmen Ostersonntag hat in mir verschiedene Erinnerungen wachgerufen.
Ostern war immer ein entscheidender Stichtag im Feilschen mit den Eltern, ob ich kurze Hosen anziehen durfte oder nicht. „Ostern“ hieß es immer, selbst wenn manchmal im März bereits eine warme Sonne schien und viele meiner Spielgefährten bereits kurze Hosen und Kniestrümpfe trugen.
Das war auch 1964 so, und dieses Osterfest stellte damals einen Kälterekord auf: 2 Grad wurden in Dortmund gemessen. Dorthin war ich (in langen Hosen) mit meinem älteren Bruder gefahren, um am Ostermarsch teilzunehmen. (Kampagne gegen Atomwaffen für Abrüstung und Verständigung mit dem Osten). Ich war dreizehn damals, es war meine erste Teilnahme an einer Demonstration und es war irre kalt und zugig.
Vor mir marschierte ein kleines Häuflein spanischer „Gastarbeiter“, die eine riesige (verbotene) Flagge der von Franco weggeputschten 2. Spanischen Republik trugen: rot-gelb-violett. Immer wieder fegten Windböen in das Transparent und drückten die Träger fast von der Straße, dazu Graupel. Spontan half ich einem der Spanier, die Fahnenstange gegen den Wind aufrecht zu halten, und so marschierten wir gemeinsam durch ein ziemlich menschenleeres Dortmund. (Die Routen legten die Ordnungsämter nämlich so fest, dass möglichst wenig Bürger unseren Marsch zu sehen bekamen.) Damals erfuhr ich zum ersten Mal vom spanischen Bürgerkrieg.
Ich erinnere mich an eine Grußbotschaft von Pete Seeger, dem us-amerikanischen Folk-Sänger. Seine Lieder waren damals gerade bei uns populär geworden: We shall overcome, (haben wir ja neulich auch bei LeNa gesungen) If I had a hammer, Where have all the flowers gone. (In der deutschen Version „Sag mir, wo die Blumen sind“ – gesungen von Marlene Dietrich, wurde ein Welthit.)
Frieden war ein Herzenswunsch. Schon als Kinder haben wir den Kalten Krieg wahrgenommen. Während der Kubakrise, Herbst 1962, haben wir die Angst der Erwachsenen gespürt, dass es wirklich zum Krieg kommen könnte. Unsere Mütter legten, auf Anraten der Regierung, „Eichhörnchen-Vorräte“ an, Mehl, Zucker, Konserven. Jahrelang, bei jedem Gang in den Keller, sahen wir sie in den Regalen stehen. (In Corona-Zeiten nennt man das nun Hamstern und es ist unerwünscht. sealed )