10 Jahre LeNa
LeNa meditiert
Manchmal erscheint die „Zeit“ früh, manchmal ist es genau „richtig“, manchmal „nichts von allem“. Unsere Sitzgruppe folgt keiner bestimmten Tradition, nährt sich aus den vielfältigen Vorerfahrungen der Anwesenden und ist offen für die unterschiedlichen Zugänge der Teilnehmenden auf „Augenhöhe“.
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für die Welt.“ Dieses Zitat von Gandhi – wie mir Gudrun erzählt hat – hing viele Jahre an ihrer Wand. Als Auftrag und als Stütze. Ein Satz, der es in sich hat, der zunächst mehr Fragen als Antworten aufwirft. Ein Satz, der jeden Tag neu durchdacht werden will und jeder Handlung eine Ausrichtung geben kann.
Weisheiten wie diese zu hören und mit anderen zu teilen, ist für mich „Anstoß und Motivation“: wahrzunehmen, was sie für mich selbst bedeuten und dann zu erleben, wie sie mein Gegenüber manchmal an denselben, dann wieder an ganz unerwarteten anderen Stellen berühren oder auch Fragen aufwerfen – das ist eine wunderbare Art, in Kontakt zu treten.
Von Beginn an war unsere Meditationsgruppe auch ein Ort, um uns gemeinsam mit tiefgründigen Gedanken aus Philosophie, Spiritualität und dem ganz normalen Leben auseinander zu setzen und in unser Sitzen „mit hinein zu nehmen“.
„Achtsamkeit muss engagiert sein“ heißt es bei Thich Nhat Hanh, einem der großen Zen-Meister. Der Gedanke ist eine Brücke in den Alltag, zu unseren gesellschaftlichen Engagements. Aktion und Kontemplation bedingen sich gegenseitig und gehören zusammen. „In die Stille gehen“ meint nicht „Rückzug“, nicht „Bequemlichkeit“. Es ist ein stetiges Dranbleiben, praktizieren von Atembewusstheit und Mitgefühl.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich in unserer Meditationsgruppe ein eigenes Ritual.
Zu Beginn fokussieren wir unsere Aufmerksamkeit auf das „hier und jetzt“ durch eine meditative Körperübung, die mehrmals wiederholt wird. Daran schließt sich eine 25minütige Phase des Sitzens in der Stille an, die von einer kleinen Gehmeditation abgelöst wird. Wir gehen zwei langsame Runden hintereinander im Kreis, die Gehmeditation kommt wie von selbst zu einem Ende.
Aus der Perspektive des Mitmachenden ist es möglich, sich gleichzeitig als „Führend_er und Geführt_er“ wahrzunehmen. Dabei können sich Empfindungen der Verbundenheit einstellen – zu sich selbst, zur Gruppe und zum Universum. Und Gefühle wie Dankbarkeit, Demut, Akzeptanz verstärken.
Zum Abschluss wird ein kleiner Text oder ein Zitat vorgelesen. Meistens wählt Gudrun sie aus. Unten zwei Beispiele. Danke, liebe Gudrun, für Deine Leidenschaft und Hingabe. Manchmal entsteht aus dem Impuls ein kleines Gespräch, bevor wir uns voneinander verabschieden und uns unserem Tagwerk zuwenden.
Jürgen
Zwei Beispieltexte aus Gudruns Sammlung
Achte gut auf diesen Tag
Achte gut auf diesen Tag,
denn er ist das Leben, das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf liegt alle
Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins,
die Wonne des Wachsens, die Größe der Tat,
die Herrlichkeit der Kraft.
Dagegen ist das Gestern nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.
Das Heute aber, recht gelebt,
macht jedes Gestern zu einem Traum voller Glück
und jedes Morgen zu einer Vision voller Hoffnung.
Darum: achte gut auf diesen Tag.
Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207 – 1273)
Gebet des älter werdenden Menschen
O Herr, Du weißt besser als ich,
dass ich von Tag zu Tag älter
und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung,
bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema
etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft,
die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch,
hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von
Weisheit erscheint es mir ja schade,
sie nicht weiterzugeben – aber Du verstehst o Herr,
dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser
Einzelheiten und
verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten
und Beschwerden.
Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben,
wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen,
mir die Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören, aber lehre mich,
sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit,
dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Ich möchte kein Heiliger sein – mit ihnen lebt es sich so schwer -,
aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete
Talente zu entdecken, und verleihe mir o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
Dieses Gebet wurde wahrscheinlich von der Heiligen Teresa von Avila vor ca. 500 Jahren verfasst. Bekannt ist
Teresa von Ávila, die 1515 bis 1582 lebte, als Mystikerin und als Reformerin des Karmeliterordens.
Lebendige Nachbarschaft - LeNa
generationsübergreifend - gemeinschaftlich - selbstbestimmt